Außenpolitik: Die SPD braucht eine breite Debatte!
Vorwärts, Juni 2007
von Ursula Mogg, MdB
Im Rahmen der sozialdemokratischen Programmdebatte steht die Außen- und  Sicherheitspolitik auf dem Prüfstand. Das verwundert nicht. Von der  "Milliardenbeteiligung" am ersten Golf-Krieg über humanitäre Einsätze in  Kambodscha und Somalia, eine Beobachter-Mission in Georgien und  Awacs-Überwachung im ehemaligen Jugoslawien tasteten wir uns in den  neunziger Jahren in eine neue sicherheitspolitische Zeit. Das  Bundesverfassungsgericht klärte auf Initiative der SPD, wie der alte  Anspruch und die neue Wirklichkeit zusammenzubringen sind - mit dem  bekannten Ergebnis. In diesen Jahren arrangierte sich die SPD mit neuen  Realitäten, jedoch ohne eine breite Debatte. Reaktionen in Partei und  Fraktion zum Einsatz der Bundeswehr-Tornados in Afghanistan waren jüngst  mehr als ein Wetterleuchten, auch mit Blick auf die Verlängerung des  Afghanistan-Mandates im Herbst. Die SPD braucht eine Verständigung über  das außenpolitische Engagement.
 Ethnische und religiöse  Rivalitäten, Gebietsstreitigkeiten, Menschenrechtsverletzungen, der  Zerfall von Staaten, Massenmigration als Folge von Unterentwicklung,  Überbevölkerung und Hunger, Kampf um Wasser und Nahrung, internationale  Kriminalität, Menschen-, Organ- und Waffenhandel, Umweltzerstörung und  Klimawandel verlangen Antworten. Der Einsatz militärischer Mittel ist  nur ein kleiner, aber oft wichtiger Baustein. Sozialdemokraten  entwickelten in Regierungsverantwortung konkrete Maßnahmenbündel:  diplomatisches Engagement, militärische Intervention, humanitäre Hilfe,  Wiederaufbauhilfe, wirtschaftliche Unterstützung. Die Balkanpolitik  wurde zum Prototyp einer neuen deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. 
 Ich erinnere mich, wie die Bosnien-Hilfe Koblenz-Arzheim ihre  Hilfsgüter erst an den Zielort bringen konnte, als der Weg militärisch  gesichert war. Entwicklungshilfeministerin Heidi Wieczorek-Zeul hat vor  wenigen Tagen im Verteidigungsausschuss auch für Afghanistan betont, wie  wichtig neben dem zivilen das militärische Engagement ist. Der Einsatz  der Bundeswehr im vergangenen Jahr im Kongo zur Absicherung der ersten  demokratischen Wahlen seit Jahrzehnten wurde am vehementesten von den  Mitgliedern des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit  gefordert.
 Wir können Erfolge verbuchen: Seit den  Flüchtlingsströmen auf dem Balkan 1999 konnten wir die Situation der  Menschen dort spürbar verbessern. Und ein Afghanistan-Experte sagte mir  kürzlich: "Wer die stolzen Kinder – vor allem die Mädchen  – mit den Büchern unterm Arm zur Schule gehen sieht, dem  kommen Tränen in die Augen." Wir Sozialdemokratinnen und  Sozialdemokraten haben ein Verständnis von internationaler Verantwortung  und wir müssen uns ihr stellen – im Sinne von Nachhaltigkeit  und einem langen Atem mit dem Bekenntnis zu allen Mitteln, die uns zur  Verfügung stehen. Auch den militärischen.
